In dieser Apotheke gibt es ein Mittel gegen schlechte Laune: Oper erweist sich als Juwel

Joseph Haydns «Der Apotheker» wird in der Stanzerei Baden als Oper im Kleinstformat gezeigt.

«Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker»: Wer kennt diesen Satz nicht. Für einmal muss man aber keinen der beiden aufsuchen, weil es weder etwas zu fragen noch zu kaufen gibt, obwohl doch eine Apotheke auf der Bühne aufgebaut ist und Joseph Haydns dreiaktige, dennoch kurze Oper «Der Apotheker» heisst. Doch den Besagten muss man nicht bemühen. Stattdessen kann man ihm zusehen und -hören in einer Opera buffa, die Haydn als Theatermann von sprudelnder Einfallskraft zeigt: Die überwiegend witzigen Partien werden durch das Orchester pfiffig kommentiert; die Final-Ensembles weisen auf Haydns spätere Opern voraus. Weshalb werden dessen Bühnenwerke bloss so selten von unseren Theatern aufs Programm gesetzt? Wir grübeln nicht darüber nach, denn nun wird uns ja eine Oper im Kleinstformat gezeigt.
Winzig ist das Bühnchen in der Stanzerei Baden; winzig ist das mit sieben Musikerinnen und Musikern spielende, seitlich positionierte Barockensemble Fiori Sembranti (Leitung: Michelle Kissóczy); winzig ist das mit Balduin Schneeberger (Sempronio), Sophia Seemann (Grilletta), Eva Herger (Volpino) und Timothy Löw (Mengone) besetzte Ensemble; winzig ist das mit einem Apothekerschrank sowie einigen zeitgetreuen Möbeln, Pharmazie-Utensilien und einem (ein einziges Mal singenden) Skelett ausgestattete Bühnenbild.

Ensemble überzeugend in Szene gesetzt
Weniger ist mehr, weiss Regisseur Andrew Dunscombe, weshalb er das Ensemble auch bei gleichbleibendem Schauplatz (Apotheke) überzeugend in Szene zu setzen versteht. Die Rezitative werden übrigens nicht gesungen, sondern – der Verständlichkeit halber – auf Deutsch gesprochen; die Arien hingegen auf Italienisch gesungen.

Um was geht es in «Der Apotheker»?
Das Libretto basiert auf der Vorlage des venezianischen Komödienautors Carlo Goldoni. Wer diesen Namen liest, ahnt schon den Inhalt dieser Oper. Goldoni bezieht sich einmal mehr auf ein Grundmuster der Opera buffa: Ein alter Mann will sein Mündel heiraten und wird von einem Jüngeren ausgestochen.

Am Ende löst sich alles in Minne auf
In Haydns «Apotheker» wird dieses Muster effektvoll variiert, denn hier sind es gleich zwei Männer, die dem Apotheker Sempronio die reizende Grilletta streitig machen: der selbstgefällige Stutzer Volpino und der schüchterne Mengone, der sich aus Liebe als Gehilfe des Apothekers verdingt hat. Diese Konstellation führt naturgemäss zu Missverständnissen, turbulenten Täuschungsmanövern mit falschen Advokaten, überraschenden Pointen und – wunderbarer Musik. Das alles lässt man sich sehr gerne gefallen; man spielt innerlich mit – stöhnt an den richtigen Stellen auf, wohlwissend, dass sich am Ende alles in Minne auflösen wird: Grilletta und Mengone können heiraten.
Getragen wird die nie in derbe Komik abdriftende Inszenierung von jungen Sängerinnen und Sängern, die mit ihren schönen Stimmen und ihrem spielerischen Können ein Werk so beleben, dass es sich als wahres Opernjuwel erweist. Balduin Schneebergers Sempronio führt einen eleganten, schlanken Bassbariton ins Feld; Sophia Seemanns Grilletta nimmt mit ihren sehnsuchtsvollen, lang gesponnenen Melodiebögen für sich ein; Timothy Löws hellem Tenor möchte man gerne als Rossinis Graf Almaviva begegnen und Eva Herger lässt in der Hosenrolle des Volpino ihren kristallenen Mezzosopran funkeln.
Tüpfelchen auf dem i ist das Orchester, dessen Pfiff und Verve die Musik vollends zum Genuss macht. Kurz: In Joseph Haydns kleiner Apotheke kann sich jedermann ein Mittel gegen schlechte Laune verschreiben lassen.